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Wir setzten auf Rapid-Prototyping
Insight in Brief
Um in der Entwicklung von Geräten innerhalb kurzer Zeit Erkenntnisse gewinnen zu können, arbeitet die IMT mit «Rapid Prototypes». Solche Prototypen sind neben physischen Prototypen, beispielsweise aus einem 3D-Drucker, auch CFD-Simulationen oder MATLAB-Simulink-Simulationen von PCBs und physikalischen Zusammenhängen. Zum «Rapid Prototyping» gehört ausserdem eine Herangehensweise, bei welchem zuerst Ideen in Prototypen verwirklicht werden, Messungen durchgeführt werden und anschliessend Erkenntnisse gemacht werden können. Diese Erkenntnisse fliessen dann in die weitere Entwicklung.
Dieser Artikel zeigt wie dies bei der IMT am Beispiel einer Messgeräteentwicklung umgesetzt wird.
Einleitung
Für einen Kunden soll innerhalb kürzester Zeit ein neues Messgerät entwickelt werden. Das Gerät wird zur Kalibration und zum Testen von Medizingeräten eingesetzt, welche Luft-, Sauerstoff-, Stickstoff- oder Kohlenstoffdioxidflüsse generieren. Es werden beispielsweise Beatmungsgeräte mit einem solchen Messgerät überprüft.
Die wichtigsten Anforderungen an das neue Gerät sind:
- Bidirektionale Flussmessungen von 0-300 lpm mit einer Genauigkeit von ±0.05 lpm / ± 1.7 %
- Druckverlust am Messgerät von maximal 40 mbar bei 300 lpm Fluss
- Messung der Temperatur, Luftfeuchtigkeit und des atmosphärischen Druckes
- «Low-cost» Device zu bestehendem Portfolio von «High-end» Geräten des Kunden
- Geringe Herstellungskosten
Der Kunde möchte folgende Schwächen des bisherigen Produktportfolios von Messgeräten angehen:
- Das Messgerät soll unabhängig von der Einströmung sein. Ein schon bestehendes Gerät braucht einen Filter und Einlaufstrecke, um eine genaue Flussmessung zu erhalten.
- Einsätze (sehr feines Sieb) in den aktuellen Geräten müssen regelmässig ausgewechselt werden und sind anfällig auf Verschmutzungen. Im neuen Gerät sollen solche Einsätze möglichst nicht benötigt werden.
- Das neue Messgerät soll sowohl sehr kleine als auch sehr hohe Flüsse messen können (maximale «Turndown ratio»). Bisherige Geräte haben zwei Anschlüsse, einen für tiefe Flüsse und einen zweiten für hohe Flüsse.
In einer Konzeptphase/Machbarkeitsstudie sollen verschiedene Messverfahren zur Flussmessung evaluiert und bewertet werden. Dabei besteht das interdisziplinäre Projektteam aus einem Signal Processing Ingenieur, Elektronikingenieur und einem Mechanik Ingenieur/Konstrukteur.
Rapid Prototyping bei der Entwicklung eines Messgerätes
In der Konzeptphase werden drei unterschiedliche Messansätze für die Flussmessung genauer untersucht. Wie zum Beispiel in der Softwareentwicklung üblich, wird dabei auf einen «Build – Measure – Learn» Loop zurückgegriffen, um Erkenntnisse für folgende Iterationen zu erhalten.
Durch das interdisziplinäre Projektteam der IMT können diese Ansätze schnell mit Prototypen überprüft werden. Dabei kommen nicht nur physische Prototypen zum Einsatz, sondern auch CFD-Simulationen und Matlab-Simulink-Modelle. Auch die physischen Prototypen können «inhouse» mit eigenen 3D-Druckern (Stratasys Dimension Elite, Ultimaker S5 und Sintratec S2) oder in der Werkstatt (CNC-Fräse, Drehbank, …) hergestellt werden.
Im Folgenden wird genauer auf die unterschiedlichen Konzepte zur Flussmessung eingegangen.
Gekrümmter Messkanal
Dieses Konzept verfolgt den Ansatz, dass die Strömung möglichst unabhängig von den Einströmbedingungen ins Messgerät sein soll (Abbildung 2). Der Fluss soll mithilfe eines Differenzdruckes ermittelt werden können. Die Verbindung zum Messgerät soll, egal ob sie mit einem rechten Winkel oder gerade realisiert ist, die Druckdifferenz nicht beeinflussen, da die Strömung durch die gekrümmte Geometrie im Messgerät stärker beeinflusst wird.
CFD-Simulation gekrümmter Messkanal
Mithilfe einer CFD-Simulation (RANS, statisch) wird die Hypothese überprüft, ob eine Anströmung in das Messgerät mit einem geraden Anschluss im Vergleich zu einem rechtwinkligen Anschluss einen unveränderten Differenzdruck erzeugt. Die zwei Konfigurationen mit 0° Inlet und 90° Inlet sind auf Abbildung 3 zu sehen.
Vergleichsmessungen am Prototyp
Um die vielversprechenden Simulationsergebnisse zu überprüfen, wird ein Prototyp 3D-gedruckt und ein Messaufbau aufgebaut (siehe Abbildung 4). Mithilfe eines Messgerätes wird der Differenzdruck bei verschiedenen Flüssen aufgezeichnet. Es wird festgestellt, dass die Messergebniss und die Simulation qualitativ recht gut übereinstimmen.
Erkenntnisse
Durch diese Untersuchungen können folgende Erkenntnisse für eine Verbesserung des Konzepts gemacht werden:
- Mithilfe von CFD-Simulationen können Trends für den Zusammenhang zwischen Fluss und Differenzdruck vorausgesagt werden
- Um genauere Resultate aus der Simulation zu erhalten, ist eine Verbesserung der Genauigkeit benötigt. Mithilfe einer zeitabhängigen Rechnung kann dies möglicherweise erzielt werden.
- Für eine Feinabstimmung sind Messungen an physischen Prototypen unerlässlich.
Thermischer Ansatz
In diesem Konzept soll der Fluss mithilfe eines Kalometrischen Durchflussmesser ermittelt werden. Der Vorteil dieser Messmethode ist, dass keine Einsätze verwendet werden müssen, welche verschmutzen und regelmäßig getauscht werden müssen. Außerdem ist die Auflösung v.a. bei kleinen Flüssen sehr hoch.
MATLAB-Simulink Modell des kalometrischen Durchflussmessers
Um das Messverfahren besser verstehen zu können, wird mithilfe von MATLAB Simulink eine Simulation erstellt. Diese Simulation besteht aus der Elektronik für den Flow Sensor und Driver und aus einem physikalischen Modell für den Fluss und den Wärmetransport. Der Flow Sensor besteht aus den Thermistoren RA und RD zur Temperaturmessung und aus den Thermistoren RB und RC zur Aufwärmung des Gases (siehe Abbildung 6). Die Driver-Schaltung wird zur Generierung des Messsignals benötigt. Mithilfe von Simulationen wird eine geeignete Auslegung des Drivers ermittelt.
Abbildung 6: Schematische Darstellung der MATLAB-Simulink-Simulation bestehend aus der Elektronik und aus physikalischem Modell für Fluss und Wärmetransport
In der Simulation können nun verschiedene Einflüsse untersucht werden. So kann ein Verständnis für das Messprinzip erlangt werden. Auf Abbildung 7 sind die Resultate der Simulation zu sehen. Der Fluss wird dabei gleichmäßig gesteigert. Wie erwartet, erhöht sich das Messsignal ebenfalls. Ausserdem ist zu sehen, dass im unteren Flussbereich eine gute Auflösung erzielt werden kann. Weitere Simulationen werden durchgeführt, um den Einfluss variabler Umgebungstemperatur zu prüfen. Auch diese Resultate (nicht gezeigt) zeigen, dass mit der gewählten Auslegung einen nächsten Schritt in einem physischen Prototyp möglich sind.
Vergleichsmessungen am Prototyp
Im nächsten Schritt wird durch einen Elektronikingenieur ein PCB für den Driver erstellt und der Sensor wird in einen physischen Prototyp eingebaut. Auf Abbildung 8 ist der Messaufbau mit einem 3D-gedruckten Einsatz für den Sensor, PCBs und Durchflussmessgerät zur Referenzmessung des Flusses zu sehen.
Im Versuchsaufbau kann der Fluss schrittweise um jeweils 10 lpm von 0 auf 300 lpm erhöht werden. Der Flussverlauf und das Messsignal in diesem Versuch sind auf Abbildung 9 zu sehen. Wie erwünscht, vergrössert sich die gemessene Spannung schrittweise mit einer Erhöhung des Flusses. Im Vergleich der Simulation mit Messergebnissen ist eine gute qualitative Übereinstimmung zu sehen.
Erkenntnisse
Folgende Erkenntnisse können aus diesem Konzept gemacht werden:
- Das MATLAB-Simulink Modell ermöglicht das Messprinzip zu testen, ohne das Hardware benötigt wird.
- Ausserdem kann dank der Simulation mit erhöhter Erfolgs-Sicherheit ein PCB für den Sensor entworfen werden.
- Die Messungen zeigen qualitativ gute Übereinstimmungen mit der Simulation.
Lochplatte
In diesem Konzept fliesst das Gas durch drei hintereinander angeordnete Lochplatten. Dabei wird der Differenzdruck (dP1) zwischen der inneren Lochplatten gemessen. Diese Differenzdruckmessung wird für die Flussmessung bei hohen Flüssen verwendet. Ausserdem wird der Differenzdruck (dP2) vor der ersten und nach der dritten Lochplatte gemessen, um tiefe Flüsse bestimmen zu können.
Dieses Design besitzt sehr viele Einflussfaktoren (z.B. Lochdurchmesser, Offene/Geschlossen Fläche, Anzahl Löcher, Dicke Lochplatte, Abstand zwischen Lochplatten, …), welche sich ausserdem gegenseitig beeinflussen. In einer initialen Auslegung wird mithilfe elementarer Formeln ein Design erstellt, welche laminare Strömung durch die Löcher im gesamten Flussbereich gewährt.
Modularer Prototyp
Um die vielen Einflussfaktoren zu überprüfen, wird in diesem Konzept auf einen modularen Prototyp gesetzt, bei welchem sich verschiedene Lochplatten ganz einfach auswechseln lassen. In Abbildung 11 ist der vierteilige Messkanal mit drei austauschbaren Lochplatten zu sehen. Der Messkanal und die Einsätze sind in zwei unterschiedlichen Verfahren hergestellt worden, damit die Teile gasdicht sind und um genügend genaue Löcher zu erhalten.
Messungen
Auf Abbildung 12 sind die Messresultate für den Prototyp mit Lochplatten zu sehen. Da es zwei Differenzdruckmessungen pro Einsatzvariante gibt, sind insgesamt vier Kurven zu sehen. In einer ersten Messreihe werden drei Lochplatten hergestellt im 3D-Druckverfahren vermessen («Process 1»). Eine zweite Messreihe mit Einsätzen in einem anderen Verfahren («Process 2»), wird ebenfalls aufgenommen. Entgegen der Erwartung ist der Unterschied v.a. bei den Full Range-Kurven bedeutend. Eine mögliche Erklärung für diese Differenz sind abgerundete Kanten. Bei näherer Betrachtung der Einsätze unter dem Mikroskop (siehe Abbildung 13) sind die runden respektive scharfen Kanten sehr gut zu sehen. In der Messung lässt sich auch sehr gut überprüfen, dass der geforderte maximale Druckabfall bei 300 lpm deutlich kleiner als 40 mbar ist.
Abbildung 13: Runde Kanten an Lochplatte (links), scharfe Kanten an Lochplatte (rechts).
Erkenntnisse
Aus diesem Konzept können folgende Schlüsse getroffen werden:
- Mit dem modular aufgebauten Prototyp können innerhalb kurzer Zeit schnell unterschiedliche Varianten ausprobiert und vermessen werden.
- Die Messungen am Prototyp zeigen schon früh, dass gewisse Fertigungstoleranzen (z.B. Radien/scharfe Kanten der Löcher) wichtig sind und großen Einfluss auf die „Performance“ haben.
Zusammenfassung
In der Konzepthase/Machbarkeitsstudie für ein Messgerät, welches unterschiedliche Gasflüsse messen soll, konnten mit kurzen Iterationszyklen verschiedene Messansätze untersucht werden. Es kamen dabei unterschiedliche Tools zum Einsatz wie CFD-Simulation, MATLAB-Simulink-Modellierung und physische Prototypen. Bei der IMT konnte durch das interdisziplinäre Projektteam frühe und schnelle Erkenntnisse für die weitere Entwicklung gemacht werden. Dadurch konnte sich der Kunde für ein Messprinzip, welches für die folgende Entwicklungsphase weiterverfolgt werden soll, schneller entscheiden. Ausserdem hat es sich als hilfreich herausgestellt, eine längere Machbarkeitsstudie zu machen, um das Risiko in der folgenden Entwicklungsphase zu verkleinern.
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