Lesedauer
3 Minuten
Datum
Blower für Beatmungsgeräte: Schneller mit 3D-Druck
Insight in Brief
In der Medizintechnik stellt die additive Fertigung eine vielversprechende Technologie dar, jedoch ist der Einsatz mit zahlreichen Herausforderungen verbunden, insbesondere wenn Anforderungen wie Biokompatibilität erfüllt werden müssen.
Der vorliegende Fachartikel beschäftigt sich mit den Schwierigkeiten, die Ingenieure bei der Entwicklung eines Blowers für Beatmungsgeräte, einer zentralen Komponente, mithilfe der additiven Fertigung bewältigen müssen. Durch die Kombination von klassischem Ingenieurwesen und Design ist es der IMT gelungen, einen funktionierenden Prototypen innerhalb kürzester Zeit zu entwickeln und damit eine Lösung für die Knappheit der Bauteile aufgrund der Covid-19-Pandemie bereitzustellen. Der Artikel zeigt auf, wie ein durchdachtes Design die Material- und Bauteileinsparungen ermöglicht und wie die Prozessvalidierung und Teststände zur Qualitätssicherung beitragen.
Einleitung
Trotz langjähriger Erfahrung in der Beatmungstechnik sah sich die IMT wie viele andere im Zuge der Covid-19 Pandemie mit neuen Problemen konfrontiert. Neben dem vielfach höheren Bedarf an Beatmungsgeräten und Zubehör erschwerten politische Entscheide und zusammenbrechende Supply Chains die Bereitstellung von Geräten.
Mit dieser Situation konfrontiert entschied sich die IMT ein Beatmungsgerät zu entwickeln, welches mit weiterhin erhältlichen Komponenten gebaut werden kann. Dies mit dem Ziel, bei einer Beatmungsgeräte-Knappheit in der Schweiz das Gerät mit einer Ausnahmebewilligung auf den Markt zu bringen. Das Szenario ist zum Glück nie eingetreten, trotzdem wurde das Gerät innerhalb weniger Monate fertig entwickelt.
Die hohen Anforderungen an Komponenten in einem Beatmungsgerät schränkte die Auswahl an Komponenten neben der Bauteilknappheit zusätzlich ein. Beim Blower, als Lüfterrad oder Turbine eines der zentralen Komponenten des Beatmungsgerätes, war die Verfügbarkeit so klein, dass ein eigener Blower entwickelt wurde. Zu den Anforderungen an solch einen Blower gehören Drehzahlen bis 60’000 U/min, Lebensdauer von mehreren 10’000 Stunden, Temperaturbereich von –20 °C bis +60 °C, Vibrationen bis 15G rms, Biokompatibilität und natürlich Fertigbarkeit in relevanten Stückzahlen und Lieferfristen.
Durchdachtes Design reduziert Material und Bauteile
Die hohe Flexibilität, welche die additive Fertigung bietet, kombiniert mit der Verfügbarkeit und den angestrebten Stückzahlen führte zur Auswahl dieses Verfahrens. Innerhalb kürzester Zeit wurde nach dem Motto „fail fast, fail early“ ein funktionierender Prototyp entwickelt. Diese kurze Entwicklungszeit wurde unterstützt durch einen kombinierten Ansatz von klassischem Ingenieurwesen und Design. Dabei wurden die grössten Risiken früh und wo möglich parallel bearbeitet, um die Entwicklungszeit minimal zu halten.
Neben der eigentlichen Funktion als Blower standen auch die Fertigbarkeit und besonders der Zusammenbau im Fokus der Gestaltung. Der Slogan „think additive“ wurde konsequent bis in die Details umgesetzt um Material, Anzahl Bauteile und Durchlaufzeit zu minimieren. Design-Iterationen innerhalb von zwei Tagen waren nur durch die Wahl von additiver Fertigung und zuverlässiger Lieferanten möglich. Mit einer einzigen Nachbearbeitung für einen Presssitz konnten alle additiv gefertigten Teile ohne Klebstoffe oder Schweissung verbunden werden.
Gemäss Datenblätter kamen zwei Materialien und 3D-Drucktechnologien in Frage, die auf dem Papier alle Anforderungen erfüllten. Messungen der VVOC-Emissionen (Volatile Organic Compounds, also flüchtige organische Verbindungen) schränkten diese dann auf ein Verfahren und Material ein. Dieses wurde auf relevante Eigenschaften wie Zugfestigkeit und Kriechverhalten untersucht. Dabei wurden Materialproben einer beschleunigten Alterung unterzogen und periodisch überprüft. Weitere wichtige Faktoren waren die Fertigungstoleranzen und die Streuung ebendieser innerhalb des Bauraums des 3D-Druckers. Zur Qualitätssicherung wurde das Nesting der Teile zusammen mit einem Referenzstück und Zugproben definiert. Diese sind nach einem festgelegten Muster im Bauraum verteilt und müssen bei jedem Batch vermessen werden.
Die gedruckten Teile wurden dann per CT vermessen und mit den Herstellerangaben bezüglich Fertigungstoleranz abgeglichen. Dabei wurde festgestellt, dass die Dimensionsgenauigkeit nicht homogen ist, was jedoch durch aufgeweitete Profiltoleranzen im Design berücksichtigt werden kann. Da das Design des Blowers bereits auf additive Fertigung ausgelegt war, mussten trotzdem keine Änderungen am Design vorgenommen werden.
Prozessvalidierung und Teststand für die Blower
Nun war es möglich mit der Prozessvalidierung des additiven Herstellverfahrens zu beginnen. Diese wurde analog jener von einem Spritzgussprozess in Angriff genommen. Spezifisch wurden IQ, OQ und PQ durchgeführt wobei cmk-Werte ≥= 1.33 erreicht werden konnten.
Um die geforderte Lebensdauer zu garantieren wurde ein Teststand entwickelt, auf dem 32 Blower mit verschiedenen Betriebsmustern getestet wurden. Dies geschah unter erhöhter Temperatur und erhöhter elektrischer Spannung, um den Worst Case zu simulieren. Die festgelegte zyklische Lebensdauer wurde um ein Mehrfaches übertroffen. Weiter wurden die Spezifikationen des Blowers während einem Highly accelerated life test (HALT), der in einem externen Labor durchgeführt wurde, ohne Vorbehalt erreicht.
Dieses Projekt hat gezeigt, dass additive Fertigung wie sie heute existiert auch für hochdynamisch belastete Teile in der Medizintechnik eingesetzt werden kann. Voraussetzung dafür ist eine verfahrensgerechte Gestaltung sowie eine vollumfängliche Validierung des Designs sowie der Herstellverfahren.
Zusammenfassung
Die IMT hat sich erfolgreich den Herausforderungen der additiven Fertigung in der Medizintechnik gestellt, um einen Blower für Beatmungsgeräte zu entwickeln. Trotz der hohen Anforderungen, wie Biokompatibilität, gelang es dem Unternehmen, einen funktionsfähigen Prototypen in kürzester Zeit zu entwickeln. Dabei wurden klassisches Ingenieurwesen und Design kombiniert, um Material und Bauteile zu reduzieren und die Entwicklungszeit zu minimieren. Um die Qualitätssicherung zu gewährleisten, wurden umfassende Validierungsprozesse und Teststände eingesetzt.
Sind Sie an innovativen Lösungen für Ihre eigenen Herausforderungen in der Medizintechnik interessiert? Kontaktieren Sie uns bei der IMT, um herauszufinden, wie unsere Experten und innovativen Ansätze Ihrem Unternehmen dabei helfen können, ähnliche Probleme zu bewältigen.
Weitere Expert Blog Beiträge
Lassen Sie sich inspirieren von unseren erfolgreich realisierten Kundenprojekten im Bereich der Medizintechnik.